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EuGH-Urteil zum Modelo 720 – Was sind die Auswirkungen?

Am 27. Januar 2022 war es endlich soweit und der EuGH hat sein Urteil zum spanischen Modelo 720 verkündet. Nun haben mich bereits mehrere Mandanten gefragt, was das zu bedeuten hat, ob das Modelo 720 jetzt außer Kraft gesetzt ist, oder man es vorsichtshalber weiter ausfüllen soll etc.

 

Deswegen möchte ich in diesem Artikel gern kurz die wichtigsten Punkte des Urteils durchgehen und darauf eingehen, was dies nun für den einzelnen Steuerzahler in Spanien zu bedeuten hat.

1. Was ist das Modelo 720?

Dazu habe ich einen ausführlichen Artikel geschrieben, den Sie hier nachlesen können.

Kurzgesagt ist das eine informative Steuermeldung, in der in Spanien Ansässige (zum Thema Ansässigkeit können Sie hier nachlesen) angeben müssen, welches Vermögen sie im Ausland haben.

Es gibt 3 Kategorien:

  • Konten
  • Aktien, Fonds, Versicherungen
  • Immobilien. 

Wer in einer der Kategorien über 50.000 EUR an Werten im Ausland besitzt, muss diese über das Modelo 720 dem spanischen Finanzamt mitteilen.

2. Warum war das Modelo 720 in der Kritik?

Davon abgesehen, dass viele Leute der Meinung sind, dass es zu weit geht, und dass es Spanien nichts angeht, was man im Ausland hat, waren am Modelo 720 hauptsächlich 3 Dinge problematisch:

 

ERSTENS: wer es zu spät einreicht, oder nicht korrekt ausfüllt, hat mit extrem hohen formalen Bußgeldern zu rechnen, die das gemeldete Vermögen übersteigen können.

 

Das Bußgeld beträgt 5.000 EUR pro nicht gemachter Angabe, wenn man wartet, bis das Finanzamt einen zur Abgabe auffordert ODER

100 EUR pro nicht gemachter Angabe, wenn man von sich aus zu spät die Meldung einreicht (mindestens 1.500 EUR).

 

ZWEITENS: die nicht gemeldeten Vermögenswerte werden dem Steuerpflichtigen als ungerechtfertigte Vermögenszuwächse ("ganancias patrimoniales no justificadas") in der letzten nicht verjährten Einkommensteuermeldung hinzugerechnet und voll besteuert. Dies führt dazu, dass es KEINE Verjährung gibt.

 

Außerdem bildet der aus dieser Zurechnung resultierende zu zahlende Steuerbetrag die Grundlage einer weiteren Sanktion: 150% des zu zahlenden Steuerbetrages werden zusätzlich als Bußgeld berechnet.

 

DRITTENS: Die Bußgelder sind völlig außer Verhältnis, wenn man sie mit den „normalen“ Bußgeldern nach dem spanischen allgemeinen Steuergesetz ("Ley General Tributaria") für ähnliche Fälle vergleicht.

 

Z.B. wenn man eine andere rein informative Meldung von sich aus zu spät einreicht, beträgt das Bußgeld 100-200 EUR.

Wenn man vom Finanzamt aufgefordert wird, beläuft sich das Bußgeld in diesem Fall auf 200-400 EUR.

 

VIERTENS: Die Gesetze und Verordnungen zum Modelo 720 sind an vielen Stellen uneindeutig, außerdem gibt es KEINE Möglichkeit, beim Finanzamt nach dieser Meldung zu fragen (man wird auf die vom Finanzamt veröffentlichten FAQ verwiesen, die natürlich auch nicht alle Zweifel ausräumen; sowie auf von der Steuerdirektion beantwortete konkrete Anfragen, sog. „consultas vinculantes“).

 

Kurzum: Ohne ausreichende Hilfestellung für das „korrekte“ Ausfüllen des Modelo 720 wird vom Steuerpflichtigen eine fehlerfreie und umfassende Meldung erwartet, ansonsten wird er bestraft. 

3. Was hat nun der EuGH zum Modelo 720 gesagt?

Die europäische Kommission hatte vorgebracht, dass die Konsequenzen der Nichtmeldung oder nicht fristgerechten Meldung unverhältnismäßig sind für den Zweck, den der spanische Staat mit der Steuererklärung verfolgt, nämlich die Kontrolle der Erfüllung der steuerlichen Pflichten und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung.

 

Der EuGH hat in seinem Urteil (das man hier nachlesen kann) gesagt, dass Spanien mit der Ausgestaltung des Modelo 720 gegen den freien Kapitalverkehr verstößt, da die Steuerpflichtigen in Spanien ungleich behandelt werden, je nachdem, wo sich ihr Vermögen befindet. Wenn jemand in Spanien lebt, ist er evtl. aufgrund des Modelos 720 abgeneigt, im Ausland zu investieren, weil dies dazu führt, dass er diese Meldung abgeben muss.

 

Außerdem sind die im Zusammenhang mit Modelo 720 verhängten Strafen unverhältnismäßig in Bezug auf die verfolgten Ziele und im Vergleich zu den Bußgeldern, die für vergleichbare Fälle ohne Auslandsbezug verhängt werden.

 

Zudem stellt das Gericht fest, dass die Ausgestaltung in der Praxis dazu führt, dass der Steuerpflichtige sich nicht auf eine schon eingetretene Verjährung berufen kann, sondern die Verwaltung de facto zeitlich unbegrenzt das Auslandsvermögen als Einkommen werten, besteuern und die zusätzlichen Bußgelder verhängen kann.

Das Urteil lautet (ich zitiere):

 

"Nach alledem ist festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch, dass es

  • vorgesehen hat, dass die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland die Besteuerung nicht erklärter Einkünfte, die dem Wert dieser Vermögenswerte entsprechen, als „ungerechtfertigte Vermögenszuwächse“ nach sich zieht, ohne dass in der Praxis die Verjährung geltend gemacht werden kann,
  • die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit einer proportionalen Geldbuße von 150 % der auf die dem Wert dieser Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge berechneten Steuer belegt hat, die mit pauschalen Geldbußen kumuliert werden kann,
  • und die Nichterfüllung oder die unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht hinsichtlich der Vermögensgegenstände und Rechte im Ausland mit pauschalen Geldbußen belegt hat, deren Höhe außer Verhältnis zu den Sanktionen steht, die in einem rein innerstaatlichen Kontext für vergleichbare Verstöße vorgesehen sind, und deren Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist,

gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat.“ 

 

(Anmerkung: Diese Artikel befassen sich mit dem Verbot von Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs.)

4. Was bedeutet das nun in der Praxis? Muss man dieses Jahr das Modelo 720 einreichen oder nicht?

Ja, man muss das Modelo 720 auch dieses Jahr ganz normal einreichen.

Das Modelo 720 ist weiterhin geltendes Recht, vom EuGH wurden nur die Folgen der nicht korrekten oder nicht fristgerechten Meldung als Verstöße gegen den freien Kapitalverkehr gewertet, nicht aber die Meldung an sich. 

 

Die Frist für die Einreichung bzgl. 2021 geht bis zum 31.03.2022.

5. Was ist denjenigen zu empfehlen, die bisher nie das Modelo 720 eingereicht haben, obwohl sie dazu eigentlich verpflichtet waren?

Ich würde empfehlen, dies nun nachzuholen, und zwar für das Jahr, welches noch nicht verjährt ist.

Momentan (bis 01.04.2022) ist das Jahr 2017 noch nicht verjährt. D.h. ich würde jetzt zumindest ab 2018 melden.

 

Das Modelo 720 muss nicht jedes Jahr eingereicht werden. Man muss nur erneut abgeben, wenn seit der letzten Erklärung:

  • das Vermögen in einer / mehreren gemeldeten Kategorie(n) um über 20.000 EUR gestiegen ist UND/ODER
  • wenn der Steuerpflichtige im Jahr 2021 ein Bankkonto aufgelöst hat oder Aktien verkauft hat o.ä. UND/ODER
  • wenn das Vermögen des Steuerpflichtigen in einer bisher nicht gemeldeten Kategorie über die Grenze von 50.000 EUR gestiegen ist.

Fazit:

Der EuGH hat Spanien eindeutig abgestraft und überdeutlich gesagt, dass die aktuelle Ausgestaltung europäischem Recht widerspricht und insbesondere gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

 

ABER: Das Modelo 720 ist weiterhin in Spanien geltendes Recht. Es wird vom EuGH auch nicht gesagt, dass das gesamte Modelo 720 nicht EU-konform ist, sondern (lediglich) die Folgen der Nichtmeldung, nicht fristgerechten oder unvollständigen/ fehlerhaften Meldung. Vom Gericht werden die Bußgelder und die nicht eintretende Verjährung als unverhältnismäßig beurteilt.

 

D.h. aus meiner Sicht für die Praxis:

  • Spanien kann nicht mehr die laut Gesetz im Hinblick auf Modelo 720 vorgesehenen Bußgelder verhängen.
  • Fraglich ist, ob Spanien einfach die im allgemeinen Steuergesetz vorhandenen Bußgelder analog anwenden kann (dagegen würde ich mich als Betroffener wehren).
  • Wer bereits Bußgelder bezahlt hat, kann diese nun vom spanischen Staat zurückfordern.
  • Wer Vermögen im Ausland hat, sollte weiterhin das Modelo 720 fristgerecht einreichen.
  • Wer sein Vermögen im Ausland bisher nicht gemeldet hat, sollte dies evtl. nachholen, da er nun nicht mehr mit den extremen Bußgeldern rechnen muss.

Haben Sie noch Fragen zum Modelo 720? 

Müssen Sie es einreichen, wollen das aber nur ungern selbst erledigen?

Dann wenden Sie sich gerne an mich!

 

So einfach geht das.

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Kommentare: 2
  • #1

    Roma-Luz (R.M.Ludwig) (Montag, 21 März 2022 09:52)

    Dies ist wieder ein sehr interessanter und informativer Beitrag von Ihnen. Ich bin zwar selber nicht betroffen von dem Thema, habe es aber mit Interesse verfolgt. Vielen Dank, Svenja Werner!

  • #2

    Meike (Mittwoch, 21 Juni 2023 01:32)

    Hallo,

    ich lebe in Spanien und habe eine Immobilie in Deutschland in 2019 erworben (65000).
    Bisher, aus Angst vor den Sanktionen, habe ich diese Immobilie noch nicht deklariert.
    Auch dieses Jahr habe ich es einfach wieder vergessen, das Modell 720 einzureichen.
    Nun muss ich die Steuererklärung vom letzten Jahr abgeben und bin am überlegen, ob ich meine Immobilie melden sollte oder bis nächstes Jahr warten sollte.
    Abgesehen davon, habe ich die Einkünfte jedes Jahr angegeben, allerdings als "unbekannte Immobilie/ indiferente inmueble".
    Ich würde einfach nur gerne wissen, wie hoch die neuen STrafen sind.

    Vielleicht können sie mir da weiterhelfen.

    Vielen Dank.

    Meike